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Am Sonntagnachmittag, 2. Juli, demonstrierten über 200 Menschen in Kassel gegen die drohende Abschiebung des Kurden Muhiddin Fidan. Der fünffache Vater lebt seit 27 Jahren in Deutschland, engagiert sich hier kulturell und sozial. Mit der erzwungenen Rückkehr in die Türkei könnte das in wenigen Tagen vorbei und Muhiddins Leben in ernster Gefahr sein.

Letzten Freitag (30.6.) war Muhiddin im Rahmen einer Verkehrskontrolle verhaftet worden. Mittlerweile sitzt er in Darmstadt in Abschiebehaft. Laut seiner Schwester Esma ist sein Zustand besorgniserregend. Gegenüber zwischen*funken erklärte sie: „Ihm geht es psychisch überhaupt nicht gut. Er ist einsam, alleine. Er will zurück zu seinen Kindern, er will zurück zu seiner Ehefrau“.

Um selbst für seine Freilassung aktiv zu werden hat Muhiddin am Wochenende einen Hungerstreik begonnen. Auf der Demonstration wendet er sich mit einer vorab aufgenommenen Sprachnachricht an die Öffentlichkeit:

2015 haben sie aus heiterem Himmel meinen Aufenthalt beendet. Gründe waren dafür, unter Anderem Terrorismus ohne jemals Beweise vorgelegt zu haben. Damit war gemeint, dass ich mich in einem gemeinnützigen Kulturverein [engagiere], in dem ich mich um Integrationshilfe und kurdischen Volkstanz gekümmert hatte. Auch die Teilnahme an einer genehmigten Demonstration wird für die Begründung herangezogen.“Muhiddin Fidan

Vor über 2 Jahren war das Bestreben der Behörden Muhiddin wegen seines Engagements für das Gesellschaftszentrum Kurdistan abzuschieben bereits als politisch motiviert eingeordnet worden. 2021 wandte sich dann ein Kreis von Unterstützer:innen an die Hessische Landesregierung und forderte eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Eine Petition unterzeichneten bis jetzt fast 2000 Menschen.

Jetzt versucht Muhiddins Familie angesichts der akuten Situation weiter so viel Druck wie möglich zu machen. Sie hofft mit Unterstützung von Anwälten die Abschiebung noch zu verhindern. Viel Zeit bleibt nicht mehr, denn spätestens bis Freitag, 7. Juli, soll die Abschiebung in die Türkei erfolgen. Wird sie wirklich durchgeführt, befürchtet die Familie für Muhiddin politische Verfolgung, Inhaftierung und Folter.

Muhiddin ist dabei längst kein Einzelfall aus Kassel. Die letzten Monate gab es mehrere erfolgreiche und versuchte Abschiebungen von Kurden. Erst vor 6 Wochen wurde der 19-Jährige Mustafa Kal aus seiner Ausbildung in die Türkei abgeschoben. Die regionale Linie der Behörden reiht sich dabei ein in den Versuch der schwarz-grünen Landesregierung die Zahl der Abschiebungen in Hessen zu erhöhen.

Dass die Weichen in der Politik endgültig auf Abschottung gestellt werden, findet gegenwärtig Ausdruck in den massiven Einschränkungen des Asylrechts auf europäischer Ebene. Der Kampf von Muhiddin Fidan und seiner Familie zeigt zugleich: Auch gegen die verschärften Bedingungen kann und wird es Widerstand geben.